Die Auseinandersetzung mit Chancengleichheit führt unweigerlich zu Fragen der sozialen Ungleichheit. Der Begriff "soziale Ungleichheit" verweist auf die ungleiche Verteilung von Ressourcen, Lebenschancen und Handlungsmöglichkeiten in der Gesellschaft. Gesundheitliche Ungleichheit bezieht sich auf die ungleiche Verteilung von Gesundheitsressourcen und entsprechenden Handlungschancen und äussert sich in einem unterschiedlichen Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand.
Um ein realistisches Bild der sozialen Ungleichheit und ihrer Gesundheitswirkungen in der Schweiz zu erhalten, müssen die folgenden Ungleichheitsmerkmale berücksichtigt werden: (Schul)bildung, Beruf und Erwerbstätigkeit, Einkommen und Vermögen, soziale Herkunft (Elternhaus), Geschlecht (vgl. auch separaten Beitrag), Alter und Migrationshintergrund (vgl. auch separaten Beitrag). Diese Merkmale begründen Ungleichheit und wirken auf unsere Handlungsmöglichkeiten. Allerdings beeinflussen sie unsere Gesundheit nur selten direkt. Ein höheres Einkommen macht uns beispielsweise nicht automatisch gesünder. Vielmehr wirkt Ungleichheit in komplexer Weise auf unseren Lebensstil und damit auch auf unsere Gesundheit. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Verknüpfung von verschiedenen Ungleichheitsmerkmalen zu spezifischen sozialen Lagen und Lebensbedingungen, die mit unterschiedlichen (gesundheitlichen) Handlungsspielräumen einher gehen. Diese Verknüpfung kann widersprüchliche Folgen haben: So können etwa die grundsätzlich positiven Gesundheitseffektes eines interessanten und gutbezahlten Berufes durch lange Arbeitszeiten und Stress wieder aufgehoben werden.
Für die Gesundheitsförderung und Prävention bedeutet dies zweierlei:
- Es reicht nicht, nur auf den tiefen Bildungsstatus oder das geringe Einkommen einer Zielgruppe zu verweisen. Es muss gezeigt werden, weshalb und wie diese Merkmale im Zusammenspiel mit anderen Ungleichheiten gesundheitliche Handlungsmöglichkeiten einschränken oder verbessern.
- Der Blick auf die Ungleichheit bekräftigt das Anliegen der Gesundheitsförderung, nicht nur die Symptome gesundheitlicher Ungleichheit zu bekämpfen, sondern auf die Herstellung gesundheitlicher Chancengleichheit hinzuwirken. Dieses Ziel beinhaltet auch Massnahmen auf der Ebene allgemeiner sozialer Ungleichheiten. In diesem Sinne leisten Ansätze zur Verbesserung der "Volksbildung" oder zur Einkommenssicherung benachteiligter Gruppen einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung.
Literaturhinweise
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Lamprecht, Markus; König, Claudia; Stamm, Hanspeter (2006). Gesundheitsbezogene Chancengleichheit mit Blick auf «Psychische Gesundheit – Stress» und «Gesundes Körpergewicht».
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- Das Thema „Chancengleichheit“ scheint Ihnen für ihr Projekt irrelevant. Sie nehmen an, dass andere Faktoren wichtiger sind.
- Sie gehen davon aus, dass Sie das Kriterium bereits genügend berücksichtigen, da sich Ihr Projekt ja an alle richtet
- Das Thema scheint Ihnen zu kompliziert; sie glauben, nicht genügend kompetent zu sein.
- Sie fürchten, Ihren Auftrag- und Geldgebern auf die Füsse zu treten, weil Ungleichheit ein sensibles Thema ist.
- Sie können Ihr Projekt besser in den allgemeinen gesellschaftlichen Kontext einbetten und es gelingt ihnen, seine Möglichkeiten und Grenzen klarer zu identifizieren.
- Sie gewinnen zusätzliche Einsichten in die Ressourcen und Potentiale Ihrer Zielgruppe und die Komplexität der Wirkungszusammenhänge in ihrem Projekt.
- Sie laufen weniger Gefahr, in die Falle von gut gemeinten, aber in der Zielgruppe unverständlichen Massnahmen zu tappen. Sie werden sensibilisiert für mögliche Verständnisprobleme und Konflikte zwischen dem Projektteam und der Zielgruppe.
- Ihr Projekt wird enger mit dem Anliegen der Gesundheitsförderung, gesundheitliche Chancengleichheit zu schaffen, verknüpft. Im Optimalfall leisten sie nicht nur einen Beitrag zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit, sondern auch zur Verminderung sozialer Ungleichheiten.
- Nehmen Sie sich in Ihrem Team einen halben Tag Zeit für eine ausführliche Reflexion des Themas soziale Ungleichheit resp. Chancengleichheit.
- Nutzen Sie dazu das nebenstehende Arbeitspapier „Soziale Ungleichheit und Gesundheit“ mit Fragen und Aufgaben in Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Ungleichheitsthematik.
- Überlegen Sie sich, wo einzelne Zielgruppen - aber auch das Projektteam - in Bezug auf verschiedene sozioökonomische und soziodemographische Merkmale stehen und visualisieren Sie dies auf dem Ungleichheitsdiagramm. Leiten Sie auf dieser Basis potenzielle Benachteiligungen aber auch Chancen und Ressourcen der verschiedenen Zielgruppen ab.
- Kennen Sie die sozioökonomischen und soziodemographischen Verhältnisse Ihrer Zielgruppen und sind Sie sich bewusst, welche Konsequenzen dies für die Erreichbarkeit der Zielgruppen hat?
- Haben Sie sich auch überlegt, welche besonderen Ressourcen damit verbunden sind, die Sie in Ihrem Projekt gezielt nutzen können?
- In welchen Dimensionen unterscheidet sich das Projektteam von einzelnen Zielgruppen und inwiefern könnte dies für Ihr Projekt von Bedeutung sein?