Health Promotion Switzerland

Empowerment

Herkunft und Begrifflichkeit

Das Konzept Empowerment wurde von Barbara Solomon 1976 in den USA zum ersten Mal beschrieben. Die Grundlagen dazu basieren auf den Erfahrungen der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der politischen Gemeinwesenarbeit. Solomon greift die Prozesse der Selbstermächtigung dieser Bewegungen als emanzipatorisches Prinzip auf und leitet daraus ein neues professionelles Verständnis für die Berufe im psychosozialen Feld ab.

Empowerment wird ins Deutsche mit Befähigung oder Ermächtigung übersetzt. Die Begriffe sind bedeutungsoffen und unspezifisch. Eine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition fehlt bis heute. Ein Grundkonsens besteht darin, dass Empowerment als Lernprozess gesehen wird, der neue Handlungsspielräume eröffnet und damit zu einer grösseren Selbstbestimmung der Lebensgestaltung führt. In einem solchen Prozess entdecken oder entwickeln Menschen eigene oder kollektive Ressourcen und erschliessen sich so neue Erfahrungen und Fähigkeiten. Der Fokus liegt auf den Stärken, Ressourcen, Kompetenzen und auf dem Handlungswissen. Empowerment bedeutet somit eine klare Abwendung von einer defizitär orientierten Perspektive.

Der Begriff wird heute in vielen verschiedenen Feldern und Kontexten verwendet: in der Politik, im Management, in der Selbsthilfe sowie im professionellen Setting der Sozialen Arbeit und in der Gesundheitsförderung. Selbst in der professionellen Arbeit in der Gesundheitsförderung hat er unterschiedliche Bedeutungen und Wertsetzungen. Die einen definieren Empowerment als eine professionelle Grundhaltung, andere verstehen Empowerment als das Ziel von Interventionen. Empowerment, leider oft als attraktive Worthülse und Modebegriff verwendet, ist in der Umsetzung äusserst anspruchsvoll und komplex und erfordert einen hohen reflexiven Umgang.

In neueren Ansätzen wird der Fokus konsequent auf die (Selbst-)Ermächtigung von benachteiligten Personen und Gruppen gelegt und Empowerment von Ansätzen der (Fremd-)Befähigung abgegrenzt. Die Rolle der Professionellen wird in Empowermentprozessen darin gesehen, Menschen bei der Selbstermächtigung, also auf dem Weg der Ablösung von der Macht- und Einflusslosigkeit zu mehr Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen, zu unterstützen. Dies beinhaltet insbesondere auch das anwaltschaftliche Eintreten für die Anliegen Benachteiligter und die Schaffung von geeigneten Bedingungen, damit Menschen, Gruppen und Organisationen ihren Handlungsspielraum erweitern können (Wettstein 2016, Herriger 2016).

Empowerment in der Umsetzung

In der Gesundheitsförderung ist Empowerment als Prinzip in der Ottawa Charta verankert. Mit der Handlungsstrategie „befähigen und ermöglichen“ sollen Menschen die Chance haben, ihr Gesundheitspotential selbstbestimmt verwirklichen zu können. Empowerment wird unterteilt in individuelles und gemeinschaftsbezogenes Empowerment.

  • Individuelles Empowerment bezieht sich auf die Fähigkeit des Einzelnen, Entscheidungen zu treffen, die die Kontrolle über das persönliche Leben vergrössern.
  • Gemeinschaftsbezogenes Empowerment bezieht sich auf Gruppen (Bürgergruppen, Selbsthilfegruppen), die über ihr gemeinschaftliches Handeln mehr Einfluss und Kontrolle auf Gesundheit und die Lebensqualität gewinnen wollen.

Als Methoden zur Initiierung von Empowermentprozessen werden unter anderen Gesundheitskonferenzen, Zukunftswerkstätten und Gesundheitszirkel angegeben. Es sind Methoden, die eine aktive Teilnahme der angesprochenen Personen ermöglichen und fördern (siehe Partizipation).

Modelle, die Empowermentprozesse von den Voraussetzungen bis zu den Wirkungen systematisch erfassen, gibt es bislang wenige, obwohl gerade bei einem so bedeutungsoffenen Begriff Operationalisierungen notwendig sind. Ein solches Modell hat Gesundheit Berlin zusammen mit Experten entwickelt. Das Instrument ist ein Ergebnis der Weiterentwicklung der Good Practice-Kriterien des durch die BZgA initiierten Kooperationsverbundes 'Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten'. Es beschreibt auf der einen Seite Empowermentansätze für den professionellen Bereich und auf der anderen Seite Empowermentwirkungen für die Zielgruppen. Unter den Empowermentansätzen finden wir die Dimensionen Strategien, methodisches Vorgehen und die zur Umsetzung notwendigen Basiskompetenzen. Bei den Empowermentwirkungen sind mögliche Indikatoren für die Kompetenz- und Ressourcenerweiterung aufgelistet. Es ist eine gute und hilfreiche Grundlage, Empowerment in der professionellen Arbeit konkret umzusetzen, zu reflektieren und zu überprüfen.

  • Sie scheuen mögliche Interessenskonflikte zwischen Auftraggeber, Projektverantwortlichen und Projektleitung. Empowerment umsetzen erfordert Zeit und offene Prozesse.
  • Sie gewichten das Expertenwissen höher und erachten Empowermentprozesse als wenig effizient.
  • Es fehlen Methodenkenntnisse und Erfahrungen für solche Prozesse.
  • Sie erhöhen die Chance, dass die Ergebnisse des Projektes nachhaltiger sind, das heisst, Sie mehr Menschen erreichen und aktivieren können.
  • Ein von Ihnen initiierter gegenseitiger Lernprozess (Auftraggeber / Projektleitung / Zielgruppe) wirkt sich produktiv auf das Projekt und die Ergebnisse aus.
  • Benutzen Sie Empowerment nicht als Schlagwort, sondern setzen Sie sich vertieft damit auseinander.
  • Setzen Sie Ziele bezüglich Empowerment, wählen Sie entsprechende Methoden aus und überprüfen Sie die Wirkungen.
  • Liegt dem Projekt ein einheitliches Verständnis von Empowerment zugrunde? Wurde Empowerment tatsächlich nach diesem Verständnis umgesetzt?
  • Wurden die möglichen Methoden für die Umsetzung von Empowerment berücksichtigt/ ausgewählt?
  • Welche Ressourcen sollen gefördert werden bzw. wurden gefördert (personell, sozial…)?
Last modification: 15 September, 2016 11:11