Gesundheitsförderung Schweiz

Settingansatz

Gerlinde Rohrauer-Näf, Fonds Gesundes Österreich

Mit der Veröffentlichung der Ottawa Charta wurde 1986 der Settingansatz als Kernstrategie der Gesundheitsförderung definiert. Fast dreißig Jahre gibt es nun in Österreich Erfahrungen damit. In den Anfängen war es durchaus schwierig, über die bislang bekannten, rein individuellen, verhaltensorientierten Ansätze hinauszuwachsen. . Neben den traditionellen Settings wie Betrieben oder Schulen, die die WHO in den 80er Jahren initiiert hat, entwickeln sich aber laufend neue Lebenswelten, die gesundheitsfördernd gestaltet werden.   Der Settingansatz (Lebensweltenansatz) stellt eine Kernstrategie zur Umsetzung der Gesundheitsförderung dar und basiert auf der Idee der Ottawa Charta (1986), dass Gesundheit im Alltag hergestellt und aufrechterhalten wird. In Settings unterstützende Bedingungen zu schaffen ist eine von fünf Handlungsstrategien der Ottawa Charta. Als weitere Handlungsstrategien gelten, eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik zu entwickeln, gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen zu unterstützen (Ebene der Gruppe), persönliche Kompetenzen zu entwickeln (individuelle Ebene) und die Gesundheitsdienste neu zu orientieren und besser an die Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen. Vom Setting ausgehend werden idealerweise mehrere dieser Handlungsstrategien kombiniert.

Ein Setting ist ein abgegrenztes sozialräumliches System, in welchem Menschen leben und welches Einfluss auf die Gesundheit Einzelner und von Gruppen hat. Durch die WHO wurden Betriebe, Schulen, Städte, Regionen, Gefängnisse, Hochschulen und Krankenhäuser als erste Settings der Gesundheitsförderung definiert. Es sind aber seitdem viele neue Settings dazugekommen: Gemeinden, „Grätzel“ (österreichisch für Quartiere), Kindertagesstätten, Lehr- oder Ausbildungsstätten, Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens wie Alten- und Pflegeheime, Beratungseinrichtungen sowie Communities (z.B. von Bürger/innen mit Migrationshintergrund) und Familien sind in Projekten des Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) als Settings involviert.

Um Gesundheitsförderung in ein Setting tatsächlich zu integrieren, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden, unter anderem:

  • Als Ausgangsbasis sollte zu Beginn das gesamte Setting (und nicht nur dessen Gesundheitsprobleme) analysiert werden.
  • Menschen sollen darin unterstützt werden, ihr Setting selbst gesundheitsfördernder zu gestalten – ein Prozess, der von Gesundheitsförderungsexpert/-innen lediglich unterstützt und begleitet werden soll.
  • Gesundheitsförderung muss auch eine Verbesserung im vorrangigen Kerngeschäft vorsehen.
  • Interventionen müssen gleichermaßen bei Verhältnissen sowie bei individuellen Verhaltensweisen ansetzen, also auf mehreren der fünf Handlungsebenen der Ottawa Charta. (Conrad 2013, Altgeld 2004)

Vergleicht man diese mit den Voraussetzungen für die Nachhaltigkeit von Projekten, so erkennt man, dass es im Kern dieselben sind: Projekte mit Settingansatz haben bessere Chancen, nach Projektende bestehen zu bleiben. (FGÖ 2013)

Häufig wird ein Setting vor allem als Zugang zu einer Zielgruppe genutzt, um definierte Angebote zu initiieren, z.B. Kleinprojekte, Informationsveranstaltungen (add-on-Strategie, Gesundheitsförderung im Setting). Gesundheitsförderung im Sinne des Settingansatzes setzt an den Strukturen und Kernprozessen eines Settings an und verändert diese partiell, z.B. durch ein umfassendes Gesundheitsmanagement (add-in Strategie, gesundheitsförderndes Setting). (vgl. Dür et al., 2014)

Eine 2009 durchgeführte Analyse abgeschlossener Projekte des FGÖ ergab, dass zu dieser Zeit der Anteil an angebots- und verhaltensorientierten Maßnahmen noch stark überwog. So fanden sich in Schulen und Gemeinden vor allem Ansätze wie Workshops, Seminare, Vorträge, Veranstaltungen und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Verhältnisorientierte Maßnahmen wie die partizipative Entwicklung von Veränderungsprozessen waren am ehesten im betrieblichen Setting zu finden. (Simek, 2013) In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Mehr Projekte arbeiten tatsächlich nach dem Settingansatz, neue Setting-Konstellationen entstehen:

Im betrieblichen Setting setzt sich, unterstützt durch die laufenden Qualitätsentwicklungsprogramme des „Österreichischen Netzwerks Betriebliche Gesundheitsförderung“ und des FGÖ, ein Standard durch, der einer gesundheitsbezogenen Organisationsentwicklung nahe kommt.

Durch die stärkere Ausrichtung auf gesundheitliche Chancengerechtigkeit erhöht sich in Österreich das Engagement von „Sozialeinrichtungen“.

Kommunale Gesundheitsförderung mit Sozialeinrichtungen

In der Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ haben sich Sozialeinrichtungen (Anbieter sozialer Dienstleistungen) mit Gesundheitsförderungsorganisationen zu „Tandems“ zusammengeschlossen, um die soziale Teilhabe und Unterstützung benachteiligter Schwangerer/Familien mit Kleinkindern oder älterer Menschen in Gemeinden und Städten zu fördern. Die Methoden reichen von Erhebungen zum Bedarf und vorhandener Angebote über die Schulung von Multiplikator/-innen, Ansätze der partizipativen kommunalen Entwicklung (z.B. Kindergemeinderat), bis hin zur Etablierung von Netzwerken von ansässigen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen.

Gesundheitsfördernde Sozialeinrichtungen

Gemäß einer Erhebung im Projekt „Schulden und Gesundheit“ besteht Bedarf, die Vernetzung der österreichischen Schuldenberatungseinrichtungen mit dem Gesundheitsbereich zu fördern, die Thematik „Schulden und Gesundheit“ (z.B. durch Fortbildungen) in den Beratungsalltag zu integrieren sowie einen Fokus auf die Berater/-innengesundheit zu richten. Entsprechende Projekte werden künftig durch den FGÖ gefördert.

Eine neu erstellte Broschüre des Fonds Gesundes Österreich beschreibt, wie überbetriebliche Lehrausbildungseinrichtungen einen Prozess der Gesundheitsförderung (Strukturaufbau, Sensibilisierung von Jugendlichen und Stammpersonal, Diagnose der Ausgangssituation etc.) für ihr jugendliches Klientel aber auch für ihre Mitarbeiter/-innen durchlaufen können. Entsprechende Projekte werden ebenfalls durch den FGÖ gefördert.

Setting Familie

Ausreichend Unterstützung und Förderung in der frühen Kindheit können Lebensqualität, sozioökonomische Lage und psychosoziale Gesundheit bis weit ins Erwachsenenleben positiv beeinflussen. Familien mit Kleinkindern sind daher aktuell Zielgruppe oder Setting großangelegter Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramme. Da Gesundheitsförderung allerdings an größeren Systemen und Bevölkerungsgruppen ansetzt, werden Familien indirekt über andere Settings und Systeme angesprochen. Im Zusammenhang mit frühen Hilfen passiert die Einbindung von Familien über das Gesundheits- und Sozialsystem, im Rahmen der oben beschriebenen Initiative „Auf Gesunde Nachbarschaft!“ sowohl im kommunalen Setting als auch im Gesundheits- und Sozialsystem.

Konsum und Freizeitwelten

In allen möglichen Orten des modernen Alltags z.B. in Bahnhöfen, im Fußballstadion, in Parks etc. findet heutzutage Konsum statt. Auch Formen der Freizeitgestaltung sind zum Konsumgut geworden (z.B. Kurse, Sportangebote etc.). Aber noch gibt es hierzulande kaum entsprechende Ansätze - Die gesundheitsfördernde Gestaltung von Konsum und Freizeitwelten – ein Zukunftsfeld?

Literatur

Letzte Änderung: Sonntag, 29. November 2015, 18:23 Uhr